Reisereflexion
IDA 2021 Kult(o)ur – Wahrnehmung auf Reisen
Normalerweise verbringt man nur unfreiwillig mehr als zehn Minuten an einer Haltestelle. Sei das, weil man den Zug knapp verpasst hat oder die Verbindung ausfällt. Man verspürt das Gefühl vom aufgehalten werden anstelle eines freiwilligen Aufenthalts.
Ich verbrachte freiwillig Zeit an Haltestellen, setzte mich mit diesen oft banalen Orten auseinander. Mich motivierte unter anderem die Neugier, ob da wo der Zug nur einmal die Stunde hält, wirklich nichts Spannendes passiert. Meistens war das dann tatsächlich so.
Die Haltestellen waren dadurch nicht automatisch uninteressant. Auch im Banalen liessen sich interessante Bildausschnitte finden oder es standen Objekte herum, die eine Geschichte erzählten. Abstimmungsplakate zu einem besseren Dorfzentrum, ein Bistrostuhl mit heruntergefallenem Sitzkissen, ein Glace-Stand mit Musik – unterbrochen von Spotify-Werbung, da der Besitzer kein Abo besitzt – solche Ansichten vermittelten mir einen Charakter von der jeweiligen Umgebung der Haltestelle.
Mit dem Wetter hatte ich nicht immer Glück. Reisen kann auch unbequem werden, besonders wenn man Regen, Wind und Kälte ausgesetzt ist. Nicht überall existieren geschlossene Wartehüsli. Hände werden trotz Handschuhen irgendwann kalt.
Dafür haben Blätter ein satteres grün, wenn sie nass sind und der See eine andere Farbe, wenn es stürmt. Ich bemerkte unerwartet schöne und faszinierende Dinge.
Vielleicht kann es das nächste Mal, wenn ich einen Zug oder Bus verpasse, ein 'verweilen dürfen' und nicht ein 'verweilen müssen' sein.